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Christian Strub: Peirce über Metaphern
Nachtrag zum Referat vom 11.01.07

Es gibt nur eine Stelle, an der sich Peirce systematisch zur Metapher äußert:

Hypoicons may be roughly divided according to the mode of Firstness of which they partake. Those which partake of simple qualities, or First Firstnesses, are images; those which represent the relations mainly dyadic, or so regarded, of the parts of one thing by analogous relations in their own parts, are diagrams; those which represent the representative character of a representamen by representing a parallelism in something else are metaphors. (CP 2.277; Ms 478)

Der Begriff hypoicons für die ikonischen Zeichen verweist auf die Tatsache, dass es kein Zeichen gibt, das ein reines Ikon ist. In einer Variante dieser Textstelle heißt es statt metaphors examples — Metapher und Beispiel sind also irgendwie miteinander verwandt.

Strub beschränkt sich in seiner Interpretation von CP 2.277 auf Propositionen mit metaphorischem Terminus an Prädikatstelle, z.B. Die Sonne lacht. Jeder Prädikatbegriff eines Satzes hat ikonischen Charakter.
Es gibt drei Typen von Ikons bzw. Prädikaten, die in Reinform die Qualitäten von Objekten unter den drei Kategorien darstellen:

1. Bildprädikate, First Firstness, "simple original qualities"
einstellig: Das Haus steht in Flammen.
zwei- oder mehrstellig: Kain ermordet Abel.
2. Diagrammprädikate, Second Firstness, "qualities essentially relatives"
einstellig, Vergleichsprädikat: A ist wie B.
zwei- oder mehrstellig, Analogieprädikat: A-B ist wie C-D.
3. Metaphernprädikate, Third Firstness, "the way something is thought or represented"

Es geht darum, die Eigenständigkeit der Metapher in den Vordergrund zu rücken (contra Substitutionstheorie). Das Metaphernprädikat ist nicht auf ein Diagramm- oder Bildprädikat zurückführbar, d.h. die Metapher ist kein verkürzter Vergleich, keine verkürzte Analogie und stellt keine einfache Qualität dar.

Die Metapher ist ein Prozeß, der den Zeichenprozeß in seiner Prozessualität selbst darstellt; der metaphorische Prozeß ist die Explizierung des Zeichenprozesses in allen seinen Stadien. (Strub 1994: 217)

Der metaphorische Prozess hat darzustellen, dass:
1. das Objekt, das im Zeichen dargestellt werden soll, darstellungsunabhängig ist;
2. das Objekt zwar darstellungsunabhängig, aber doch darstellungsfähig ist;
3. das Objekt durch die im Zeichen vermittelte Idee wirklich dargestellt wird.

Strub nähert sich der Metapher über Peirce'­ Analyse des Dicizeichens (des Dicents, der Proposition). Dabei geht es um folgende drei Punkte:
1. Das Dicizeichen stellt sich in Zweitheit zu seinem Objekt dar, d.h. das Objekt als unabhängig von ihm selbst (indexikalisch-reflexiver Charakter);
2. es stellt sich selbst als wahr dar, d.h. stellt dar, dass es mit seinem dargestellten Objekt in gewisser Weise übereinstimmt (Wahrheitscharakter);
3. diese Selbstdarstellung des Dicizeichens muss an der Erfahrung überprüft werden, d.h. es kann wahr, falsch oder absurd sein.

Um festzustellen, ob ein Dicizeichen wahr, falsch oder absurd ist, muss man es im Hinblick auf seinen Objektbezug untersuchen. Dabei unterscheidet Strub folgende Typen von Objek-ten:

Primary/Real Object — das, was das Dicizeichen als unabhängig von ihm indiziert
Secondary Object 1 — das, was der Interpretant bzw. das Dicizeichen selbst als Objekt in aktualer Secondness zu ebendiesem Dicizeichen darstellt
Secondary Object 2 — wirklich dargestelltes Objekt des Dicizeichens; das Objekt muss darstellungsfähig, d.h. komplex sein
Secundal Primary Object — Primary Object, das im Secondary Object 2 dargestellt werden kann

Wahr ist ein Dicizeichen dann, wenn seine Replica das Real Object im Secondary Object 1 (als sein Objekt) und als Secundal Primary Object (d.h. als komplexes) und im Secondary Object 2 (als sein dargestelltes Objekt) darstellen kann; falsch ist es dann, wenn seine Replica das Secundal Primary Object im Secondary Object 1 (als sein Objekt) und als Secundal Primary Object (d.h. als komplexes), aber nicht im Secondary Object 2 darstellen kann, d.h. zwar sein Objekt als aspektiertes, aber nicht den Aspekt darstellt; absurd ist ein Dicizeichen dann, wenn es nur ein Secondary Object 1 hat, d.h. zwar ein Objekt hat, dieses aber noch nicht einmal als aspektierbar darstellt (dies ist nichts anderes als die Umschreibung der Tatsache, daß absurde Dicizeichen niemals in Konflikt mit einer Erfahrung kommen können (CP 2.315)). (ebd.: 222)

Im Folgenden geht es um Metaphern, die auf ihrer wörtlichen Ebene die Struktur von absurden Sätzen haben, aber als sinnvolle Sätze verstanden werden sollen, die somit die Explizierung des Zeichenprozesses leisten.
Die sinnvolle Proposition informiert über Fakten (über ein darstellungsunabhängiges Objekt), die sinnlose über Bedeutungen (hat ihre eigene Symbolkombination zum Gegenstand; stellt eine pure vage Idee dar; Kluft zwischen Zeichen- und Objektbereich).
Doppelte Verweisstruktur: Der Verweis auf die sinnlose Proposition ist Mittel des Verweises auf die sinnvolle Proposition.

Der "Skandal der Metapher" ist dann folgendermaßen zu formulieren: Eine Metapher macht einerseits die Aussage, daß die Replica der in ihr verwendeten Symbolkombination niemals in Konflikt mit erfahrbaren Fakten über ihr Objekt kommt; andererseits soll sie eine Aussage machen, deren Form darin besteht, eine Verbindung zwischen ihrem Subjekt und ihrem Prädikat als korrespondierend einer Verbindung zwischen einem darstellung-sunabhängigen Objekt und einer seiner Qualitäten darzustellen. (ebd.: 225)

Beispiel: Die Sonne (Subjekt) lacht (Prädikat).
Das Lachen der Sonne korrespondiert mit dem Scheinen / den Strahlen / der Wärme der Sonne (Qualitäten des darstellungsunabhängigen Objekts). Weil die Sonne nicht lachen kann, ist die Proposition auf ihrer wörtlichen Ebene absurd, sie kann nicht mit erfahrbaren Fakten in Konflikt geraten.

Das metaphorische Prädikat muss die Angabe zweier Qualitäten enthalten, die dann durch eine vermittelnde Qualität miteinander verbunden werden, wobei diese auf keinen Fall mit dem tertium comparationis gleichzusetzen ist. Strub weist auf die Inkompatibilität der beiden Qualitäten hin.
Das drückt sich auch in dem Begriff Parallelismus aus: Das metaphorische Prädikat weist indirekt darauf hin, dass ein anderes Prädikat (sein Interpretant) ein Ikon für eine Eigenschaft des (im Subjekt des Satzes bezeichneten) Objekts ist. Der Parallelismus konstituiert also die Ikonizität des neuen Prädikats.

Aus Die Sonne lacht. wird z.B. Die Sonne scheint. Das neue Prädikat scheint ist mit dem metaphorischen Prädikat lacht aber nicht durch ein tertium comparationis zu verknüpfen. Scheinen und Lachen sind miteinander inkompatibel, sind unähnlich.
Bei der Metapher geht es also nicht wie beim Vergleich um Strukturgleichheiten, sondern um Strukturdiskrepanzen. Der Metapherninterpret muss die eine Struktur zum Diagramm der anderen machen.

Metaphern sind durch ihren doppelten Verweischarakter die Sätze, die ausdrücken, daß prinzipiell jedes Objekt darstellbar sein muß — auch wenn es bis jetzt noch nicht darstellbar ist. (ebd.: 232)

Strub, Christian: Peirce über Metaphern. Zur Interpretation von CP 2.277. In: Pape, Helmut (Hrsg.): Kreativität und Logik. Charles S. Peirce und das philosophische Problem des Neuen. Frankfurt a.M. 1994. S. 209-232.

HS: Semiotik
Nachtrag zum Referat