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Sitzungsprotokoll 2.11.2006
Protokollant: Tobias Zier

1. Phaneron und Phänomenologie

Peirce' Definition der Phänomenologie:

Die Phänomenologie ermittelt und untersucht die Arten von Elementen, die im Phänomen universell gegenwärtig sind, wobei mit Phänomen alles gemeint ist, was zu irgendeiner Zeit auf irgendeine Weise gegenwärtig ist.
(Charles S. Peirce, Phänomen und Logik der Zeichen, hrsg. und übers. von Helmut Pape Frankfurt a.M. 1983, S. 40.)

Das Phaneron ist indessen die Gesamtheit von allem, was sich im Geist und Bewusstsein des Menschen befindet. Es lässt sich in drei Seinsformen, die durch drei ontologische Universalkategorien repräsentiert sind, beschreiben: Erstheit, Zweitheit und Drittheit. Die drei Grundklassen sind in allen Phänomenen enthalten, deswegen werden sie Universalkategorien genannt.

2. Kategorienlehre: Einordnung in die Tradition

Bei der Einordnung der Kategorienlehre in die Tradition, stellt sich heraus, dass Peirce seine drei von Kants 12 Kategorien der reinen Vernunft ableitet.
Die Kategorientafel nach Kant:

QuantitätQualitätRelationModalität
---- ---- ---- ----
EinheitRealitätSubstanz und AkzidenzMöglichkeit
VielheitNegationUrsache und WirkungExistenz
AllheitLimitationWechselwirkungNotwendigkeit

Die Kategorien von Peirce werden erst in den Spätschriften expliziert, vorher weicht Peirce von dieser Terminologie ab:
Früher Entwurf von Peirce:

Sein
Qualität (Bezug auf einen Grund)
Relation (Bezug auf ein Korrelat)
Darstellung (Bezug auf einen Interpretant)
Substanz

3. Kategorien: Heuristische Differenzierung

Die Kategorien sind heuristisch differenzierbar, aber nicht separierbar. Man kann von einer reziproken Relationierung der Kategorien sprechen, denen also keine Differenz inhärent ist.
Es folgt die Defintion der Kategorien: Erstheit, Zweitheit, Drittheit:

Erstheit ist, das was so ist, wie es eindeutig und ohne Beziehung auf irgend etwas anderes ist. Zweitheit ist das, was so ist, wie es ist, weil eine zweite Entität so ist, ohne Beziehung auf etwas Drittes. Drittheit ist das, dessen Sein darin besteht, daß es eine Zweitheit hervorbringt. Es gibt keine Viertheit, die nicht bloß aus Drittheit besteht bestehen würde.
(Charles S. Peirce, Phänomen und Logik der Zeichen, hrsg. und übers. von Helmut Pape Frankfurt a.M. 1983, S. 55.)

Erstheit ist als ein differenzloser Raum oder vages Gefühl beschrieben, das im Plenum die Metapher der Quelle evoziert. Sie wird als "Quelle ohne Form" durch die Kommiliton(inn)en bezeichnet. Ein Beispiel für Erstheit bei Peirce ist die Farbe Rot, ohne zugleich an rote Gegenstände zu denken. Es geht um das Rot an sich und die unmittelbare Wahrnehmung der Farbe Rot, die Qualität von Rot.

Um ein Beispiel für Erstheit zu erhalten, schaue man auf etwas Rotes. Diese Röte ist eindeutig, was sie ist. Ein Kontrast mag unser Bewußstsein von ihr verstärken, aber die Röte ist nicht relativ zu irgend etwas anderem, sie ist absolut und eindeutig. [...] Der Qualität selbst kommt weder Lebhaftigkeit noch Stumpfheit zu. Sie ist für sich genommen, in der Tat eine bloße Möglichkeit.
(Charles S. Peirce, Phänomen und Logik der Zeichen, hrsg. und übers. von Helmut Pape, a.a.O. S. 56.)

Erstheit ist ein Gedankenexperiment und stellt an sich eine wenig voraussetzunglose Kategorie ist. Als Beispiel wurde ins Feld geführt, dass wenn man hört und realisiert, dass man hört, schon mindestens sich in der Kategorie der Zweitheit befindet. In der Weltwahrnehmung des Menschen ist oft schon Drittheit enthalten. Dieses Phänomen erschwert das Verstehen der Erstheit, die also ein unreflektiertes Gefühl, Spontaneität, undifferenzierte Qualität und vor allem auch Potentialität beschreibt. Erstheit kann eben nicht gedacht werden. Die Kategorie wird in einem systemtheoretischen Vergleich als unbeobachtbar und uneinholbar bezeichnet. Gleichzeitig wird festgestellt, dass die Parallelen von Systemtheorie und der Semiotik von Peirce schlecht miteinander in Relation zu setzen sind, da es sich im ersten Fall um ein zweiwertiges und bei Peirce um ein dreiwertiges Modell handelt.

Zweitheit wird als Kategorie der dyadische Relationen, als Raum der Differenz exemplifiziert. Es geht dabei um die Identität qua Differenz, die einzigartig, irreversibel und temporal fixiert ist. Als Beispiel wird das Schließen einer Tür beschrieben, in der sich Anstrengung und Widerstand, Aktion und Reaktion manifestieren. Zweites Beispiel ist das Laufen gegen eine Türe, die man als solche nicht terminologisch erfassen kann, sich eben nur in einer Handlung äußert, die Widerstand erzeugt. Wenn man sie als Kategorie der Notwendigkeit, der Gesetzmäßigkeit und der Vermittlung ansieht, ist damit Drittheit impliziert.

Drittheit liegt vor, wenn die Potentialität verneint wird und Ereignisse durch Generalisierung, Wiederholung, Vermittlung zu einer Gesetzmäßigkeit wird. In aller Kürze kann man auch sagen, dass Denken immer Drittheit ist:

Kurzum, wo immer es Denken gibt, gibt es Drittheit. Es ist die genuine Drittheit, die dem Denken sein Wesen verleiht, obwohl Drittheit in nichts anderem besteht als daß eine Entität zwei andere Entitäten in eine Zweitheit zueinander bringt.
(Charles S. Peirce, Phänomen und Logik der Zeichen, hrsg. und übers. von Helmut Pape, a.a.O. S. 58).

Alle drei Kategorien sind interdependent, das heißt Drittheit ist ohne Zweitheit und Erstheit nicht zu denken:

The third category - the category of thought, representation, triadic relation, mediation, genuine thirdness, thirdness as such - is an ingredient of reality, yet does not by itself constitute reality, since this category [...] can have no concrete being without action, as a separate object on which to work its governement, just as action cannot exist without the immediate being of feeling on which to act.
(CP 5.436, Herv. von T.Z.)

Mit den Wörtern "feeling" und "action" sind die beiden anderen Kategorien der Erstheit und Zweitheit gemeint. Erstheit kann man also auch als Gefühl, Zweitheit als Handlung, Aktion beschreiben. Innerhalb der Kategorien gibt es ferner noch eine Differenzierung in genuine und degenerierte Ebenen. Bei den degenerierten Ebenen kann die jeweils höhere Kategorie die untere(n) Kategorie(n) implizieren, so dass man beispielsweise von einer Erstheit der Zweitheit sprechen kann. Ferner ordnet die Drittheit der Erstheit immer die Zweitheit zu.

4. Kategorienlehre und Semantik

Das Zeichen kann als das Paradigma der Drittheit bezeichnet werden, das eben ein Objekt repräsentiert und so eine theoretische Schnittstelle von Kategorienlehre und Semiotik bildet. Es ist ein Letztelement für Sprache und Denken. Für Peirce ist dem entsprechend das Denken immer ein Denken in Zeichen. Aber auch in Phänomenen der Erstheit und Zweitheit gibt es semiotische Aspekte. Demnach ist das ganze Phaneron und das Universum für Peirce von Zeichen durchdrungen, wodurch sich eine "pansemiotische" Sicht auf die Welt ergibt: Die Welt ist somit vielleicht selbst ein Zeichen.
Die auf dem Referatspapier gebotene Zeichendefinition wird hier noch um eine weitere ergänzt, in der explizit die triadische Relation vermerkt ist:

Unter einem Zeichen verstehe ich irgendetwas Beliebiges, Reales oder Fiktives, was einer wahrnehmbaren Form fähig ist, was auf etwas, das anders als es selbst und bereits bekannt ist, angewendet werden kann und das als solches durch ein weiteres Zeichen interpretiert werden kann, das ich als seinen ["]Interpretanten["] bezeichne, wodurch etwas kommuniziert wird, das zuvor über sein Objekt noch unbekannt gewesen sein kann. Es besteht also eine triadische Relation zwischen jedem Zeichen, einem Objekt und einem Interpretanten.
(Charles S. Peirce, Semiotische Schriften, Bd. 3 (1906-1913) hrsg. und übers. von Christian Kloesel, Helmut Pape, Frankfurt a.M 1993, S. 346).
HS: Semiotik
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