Nina Ort
Proseminar: Die ästhetische Erfahrung
Jacques Lacan-Reader
zusammengestellt aus:
Jacques Lacan: Das Seminar Buch VII (1959-1960)
Die Ethik der Psychoanalyse
hg. v. N. Haas und H.-J. Metzger, Quadriga Verlag, Weinheim, Berlin, 1996


Einführung des Dings

Lacan erklärt die Motivation, von einer Ethik, nicht von der Moral der Psychoanalyse zu sprechen:
"Unsere Erfahrung hat uns dazu geführt, mehr, als man es vor uns je getan hat, das Universum der Schuld zu ergründen." (Sem VII/8)
- womit auf das Schuldgefühl des Neurotikers angespielt wird. Zugleich geht der Begriff der Schuld aber über diejenige, mit der sich der Neurotiker belädt hinaus:
"Ist es das Vergehen, das das Freudsche Werk an seinem Beginn nennt, der Vatermörder, dieser große Mythos, den Freud an den Ursprung der Entwicklung der Kultur stellte? Oder ist es das dunklere noch ursprünglichere Vergehen, dessen Begriff er am Ende seines Werkes setzt, der Todestrieb, um alles zu sagen, in dessen furchtbarer Dialektik der Mensch, im Tiefsten seiner selbst, verankert ist?" (Sem VII/8 f.)

Lacan meint, es sei Freud gewesen, der das Begehren wieder zu "höchster Gunst gebracht" (Sem VII/9) habe, im Gegensatz zu einer gewissen Philosophie des XVIII. Jahrhunderts, die bei diesem Versuch gescheitert sei:
"Je mehr die Theorie, je mehr das Werk der Gesellschaftskritik, je mehr das Raster einer Erfahrung, die Schuldigkeit und die Pflicht auf ein präzises Funktionieren in der Gesellschaftsordnung zurückführen möchte, die Hoffnung erweckten, daß der imperativische, ärgerliche, letztlich konflikthafte Charakter moralischer Erfahrung zu relativieren sei, um so mehr haben wir faktisch die eigentlich pathologischen Wirkungen dieser Erfahrung zunehmen sehen." (Sem VII/10)

Lacan kritisiert dann die Psychoanalyse nach Freud, die versucht habe, "die paradoxen Ursprünge einzuebnen, um ihre Konvergenz auf ein harmonisches Feld aufzuzeigen" (Sem VII/11). Gemeint ist die Annahme eines einheitlichen Ichs und der Versuch der Psychoanalyse, dieses Ich zu stärken und damit die Schuld nur zu beruhigen.
Lacan schreibt über Freuds Texte TOTEM UND TABU, DER MANN MOSES UND DIE MONOTHEISTISCHE RELIGION, sowie DAS UNBEHAGEN IN DER KULTUR, und deren Hypothese eines "Urmords am Vater" (Sem VII/12):

"Von da aus gesehen, ist es die Umformung der Energie des Begehrens, was die Genese der Unterdrückung derselben erlaubt, und zwar so, daß die Schuld hier nicht allein etwas ist, das uns in seinem formalen Charakter auferlegt ist - wir haben uns ihrer zu freuen, felix culpa, denn sie ist der Anfang einer höheren Komplexität, der die Kultur ihre Ausbreitung verdankt." (Sem VII/S.:12)

Lacan sagt, es sei die Aufgabe einer Ethik der Psychoanalyse, das Subjekt dorthin zu bringen, sich den "fremden, paradoxen, grausamen Imperativen" (Sem VII/14) nicht zu beugen: "Ist es nicht, wenn ich mich so ausdrücken kann, seine wahre Pflicht, gegen diesen Imperativ anzugehen?" (Sem VII/14 f.)

Lacan kritisiert hierbei die Ideale, die die Psychoanalyse entwickelt habe: 1. das Ideal der Menschenliebe: er wendet ihm gegenüber ein: "[...] warum hat die Analyse die Dinge nicht weiter vorangetrieben in Richtung einer Erforschung dessen, was wir eine Erotik im eigentlichen Sinne zu nennen hätten?" (Sem VII/16) 2. das Ideal der Echtheit, das, nach Lacan, auf eine Demaskierungstechnik der Psychoanalyse mit normativen Zielen hinausläuft. 3. das Ideal der Unabhängigkeit, das die Psychoanalyse auf ein Erziehungunternehmen reduziere "im Blick auf die Gewohnheiten, Dressur, Erziehung." (Sem VII/18).

Demgegenüber stellt Lacan die Erforschung der Ethik (nicht in bezug auf ein Ideal) gemäß Freud dar: "Die ethische Frage [...] läßt sich aus einer Orientierung der Auszeichnung des Menschen im Verhältnis zum Realen artikulieren." (Sem VII/19)
Die Analyse hat es, nach Lacan, mit den Fiktionen bzw. Phantasmen des Begehrens zu tun:
"Sicher soll die Befriedigung eines Wunsches Lust bringen, es hat aber - und ich glaube nicht zu übertreiben, wenn ich da die Lacansche Akzentuierung einer bestimmten Art der Fragestellung sehe - der Träumer kein einfaches und eindeutiges Verhältnis zu seinem Wunsch. Er weist ihn ab, er zensiert ihn, er will nichts mit ihm zu tun haben. Wir treffen hier auf die wesentliche Dimension des Begehrens, das immer Begehren zweiten Grades ist, Begehren des Begehrens." (Sem VII/22)

Es geht also um den konfliktuösen Charakter des Begehrens und Lacan bringt in diesem Zusammenhang den Begriff des Moralgesetzes ins Spiel. Er erläutert, "[...] daß das Moralgesetz, das Moralgebot, die Präsenz der moralischen Instanz das ist, mittels dessen in unserer Tätigkeit, insoweit diese vom Symbolischen strukturiert ist, sich das Reale vergegenwärtigt [...]." (Sem VII/28)
Das Moralgesetz sagt sich gegen die Lust aus. Hier rekurriert Lacan auf den Gegensatz zwischen Realitätsprinzip und Lustprinzip bei Freud.
"Jenseits des Lustprinzips erscheint vor uns diese undurchdringliche Seite - so dunkel, daß sie bestimmten Leuten als Antinomie jeden Denkens erscheinen konnte, nicht nur des biologischen, sondern des wissenschaftlichen schlechthin -, die Todestrieb heißt.
Was ist der Todestrieb? Was ist diese Art Gesetz jenseits allen Gesetzes, das sich allein wie von einer letzten Struktur, von einem Fluchtpunkt aller Realität aus, die zu erreichen möglich ist, setzen kann? In der Koppelung von Lustprinzip und Realitätsprinzip könnte das Realitätsprinzip als Verlängerung, als Applikation des Lustprinzips erscheinen. Jedoch im Gegensatz dazu scheint solche abhängige und abgeleitete Setzung jenseits etwas wiederauferstehen zu lassen, das im weitesten Sinne das Insgesamt unseres Verhältnisses zur Welt regiert." (Sem VII/29)

Programmatisch und wider jeglichen Idealismus:
"Was suchen wir denn in der Analyse anderes als eine befreiende Wahrheit? Aber Vorsicht, auf Wörter und Etiketten ist kein Verlaß. Die Wahrheit, die wir in einer konkreten Erfahrung suchen, ist nicht die eines höheren Gesetzes. Wenn die Wahrheit, die wir suchen, befreiende Wahrheit ist, dann ist es eine Wahrheit, die wir am Punkt einer Hehlerei unseres Subjekts suchen müssen. Es ist eine partikulare Wahrheit." (Sem VII/33)

Lacan beschreibt dann das Lustprinzip bei Freud:
"Er [Freud; Anm. N.O.] geht von einem System aus, dessen eigentliche Neigung auf Täuschung und Irrtum geht. Dieser Organismus scheint als ganzer nicht zur Befriedigung des Bedürfnisses gemacht, sondern zu dessen Halluzination. Es muß sich ihm folglich ein anderer Apparat entgegensetzen, der ins Spiel kommt, um eine Realitätsinstanz zur Geltung zu bringen, und der sich im Wesentlichen als Korrekturprinzip, als Ordnungsmacht darstellt. [...]
Das Realitätsprinzip [...] stellt sich als ein Apparat dar, der viel weiter reicht als einfache Kontrolle - es geht um Berichtigung. Seine Operationsweise ist nur Umweg, Vorsicht, Nachbesserung, Abzug. Er korrigiert, kompensiert, wozu der psychische Apparat fundamental zu neigen scheint, und setzt sich ihm fundamental entgegen.
Damit ist der Konflikt an der Basis, ja am Ursprung eines Organismus eingeführt [...]." (Sem VII/38)

Lacan insistiert auf diesem antagonistischen, konfliktuösen Charakter des Begehrens.
"Die Intuition, die das ganze selbstanalytische Forschen Freuds beseelt, drückt sich nicht anders über die Annäherung an das Reale aus. Noch das Fortschreiten desselben vollzieht sich zunächst nur auf dem Wege einer primären Abwehr. Die tiefe Ambiguität der vom Menschen geforderten Annäherung ans Reale schreibt sich zunächst in Termen der Abwehr ein. Abwehr, die da ist, noch bevor sich die Bedingungen der eigentlichen Verdrängung formulieren." (Sem VII/41)

Lacan bespricht dann die Denkvorgänge "[...] über die sich die Triebaktivität realisiert" (Sem VII/44) als appetitive Vorgänge des Suchens, Erkennens und Wiederfindens des Objekts:
"Schließlich auf der Ebene der Objektivierung oder des Objekts, der Gegensatz von Erkanntem und Unerkanntem. Aus dem Grund, daß, was erkannt wird, allein erkannt werden kann in Wörtern, zeigt sich, was unerkannt ist, als etwas, das Sprachstruktur hat." (Sem VII/44) Dies bekräftigt Lacans These, daß das Unbewußte wie eine Sprache strukturiert sei. über das Unbewußte kann er dann sagen:
"[...] alles, worauf die Verdrängung* sich operativ bezieht, sind Signifikanten. Um eine Subjektrelation zum Signifikanten herum organisiert sich die Grundposition der Verdrängung." (Sem VII/58)

Lacan führt hier Begriff des Dings ein. Dieses Ding ist kein Objekt, da es nicht zeichenvermittelt ist.
"Sache* und Wort* sind also fest aneinander gebunden, bilden ein Paar. Das Ding* hat seinen Ort anderswo." (Sem VII/59)
"Das Ding* ist das Element, das im Ursprung durch das Subjekt isoliert wird in seiner Erfahrung des Nebenmenschen* als eines von Natur aus Fremden*." (Sem VII/66)
"Es ist das, was Freud uns anzeigt, indem er sagt, daß der erste und nächste Zweck der Realitätsprüfung nicht ist, in der realen Wahrnehmung ein Objekt zu finden, das dem entspreche, was das Subjekt sich im Augenblick vorstellt, sondern es wiederzufinden, sich zu überzeugen, daß es noch vorhanden ist in der Realität.
Der Unterschied zwischen dem Ding und dem Objekt ist also zunächst der, daß das Ding fundamental fremd ist, vom Objekt jedoch erwartet wird, daß man es wiederfinden könne. Das Ding* als Fremdes*, gelegentlich sogar Feindliches, jedenfalls als das erste Außen, ist das, woran sich der ganze Weg des Subjekts orientiert. Es ist ohne jeden Zweifel ein Weg der Kontrolle, der Referenz, im Verhältnis wozu? - zur Welt seiner Begehren." (Sem VII/66 f.)

"Dieses Objekt wird da sein, wenn alle Bedingungen erfüllt sind, letztlich - klar ist freilich, daß das, was es zu finden gilt, nicht wiederzufinden ist. Es ist die Natur des Objekts, als solches verloren zu sein. Es wird nie wiedergefunden sein. Etwas ist da, in der Erwartung eines Besseren oder in der Erwartung eines Schlechteren, aber eben in Erwartung." (Sem VII/67)
Dies kennzeichnet den retroaktiven Charakter des Begehrens wie des gesamten Psychismus gemäß Lacan - seine Konzeption der "Sekundarisierung des Primären".
"Das Ding* ist ursprünglich, was wir das Signfikats-Außerhalb nennen möchten. Als Funktion dieses Signifikats-Außerhalb und in einem pathetischen Verhältnis zu ihm bewahrt das Subjekt seine Distanz und konstituiert sich in einer Art Verhältnis oder Primäraffekt, der aller Verdrängung vorausgeht." (Sem VII/69)

Der Unterschied zwischen einer Urverdrängung und der "normalen" Verdrängung, die, wie Freud sagt, eigentlich ein Nachdrängen ist, ist hierbei von Bedeutung. Denn die "Neurosenwahl" erfolgt im Verhältnis zum ursprünglichen Ding.
An dieser Stelle erwähnt Lacan zuerst die drei großen Freudschen psychischen Dispositionen, die alle beschrieben werden können, als spezifische Weise das Begehren des Subjekts in bezug auf das Ding zu organisieren: die Hysterie, die um das Ding kreist, die Zwangsneurose, die das Ding verschiebt, und die Paranoia, die an das Ding nicht glaubt und es verwirft.

"Das Ding*, das ist, was - logisch und gleichzeitig chronologisch am Ausgangspunkt der Organisation der Welt im Psychismus - sich darstellt und abhebt als der fremde Term [...]. Und um dieses Ding* dreht sich der gesamte Fortschritt der Anpassung, der so besonders ist beim Menschen, weil der symbolische Prozeß sich als unentwirrbar in ihn eingewirkt zeigt." (Sem VII/73 f.)

Nun wird die Differenz zwischen Ding und Objekt jedoch problematisiert.
"Das Ding* ist in der Tat mit dem Wiederfinden*, der Neigung wiederzufinden gleichzusetzen, in der für Freud die Objektorientierung des Menschensubjekts begründet ist. Von diesem Objekt wird uns, wohlgemerkt, nicht einmal gesprochen. [...] es ist bemerkenswert, daß das Objekt, um das es geht, daß Freud es nirgendwo artikuliert." (Sem VII/74)

Vorausgreifend merke ich hier an, daß Freud es nicht artikuliert, weil es absolut nicht artkulierbar bzw. nicht symbolisierbar ist.
"Indem wir zum Diskurs übergehen, löst sich das Ding* in einer Reihe von Effekten auf - eben in dem Sinn, in dem man sagen kann meine Sache*. Das sind dann meine Siebensachen und die sind durchaus etwas anderes als das Ding [...].
Sie werden erstaunt sein, wenn ich Ihnen sage, daß das Ding auf der Ebene der Vorstellungen* nicht nichts ist, aber buchstäblich nicht ist - es erweist sich als abwesendes, fremdes." (Sem VII/80)
Eben diese Effekte des Dings, diese Siebensachen sind dann die Objekte.

Das Problem der Sublimierung

Lacan beschreibt zunächst nochmals den Charakter des Moralbewußtseins.>
"Was ist das Paradox? Es besteht darin, [...] daß das Moralbewußtsein um so fordernder auftritt, je mehr es geläutert ist - um so grausamer, je weniger wir es tatsächlich verletzen - um so spitzfindiger, je mehr wir es im Geheimsten unserer Regungen und Begehren, durch unsere Enthaltung in Akten zwingen, uns heimzusuchen. Kurz, der unauslöschliche Charakter dieses Moralbewußtseins, seine paradoxe Grausamkeit macht aus ihm im Individuum so etwas wie einen Parasiten, der sich aus den ihm zugestandenen Befriedigungen nährt." (Sem VII/111 f.)

Hier führt Lacan nun die Sublimierung ein, die es dem Subjekt dennoch gestattet, sein Begehren zu befriedigen.
"Als Freud zu Beginn der Akzentuierungen seiner Lehre in seiner ersten Topik zu gliedern anfängt, was es mit der Sublimierung auf sich hat, [...] zeichnet sich die Sublimierung aus durch einen Wechsel in den Objekten oder in der Libido, der nicht im Mittel einer Wiederkehr des Verdrängten erfolgt, nicht symptomatisch oder indirekt, sondern direkt, auf eine Weise, die direkt befriedigt. Die sexuelle Libido findet ihre Befriedigung in Objekten - wie unterscheidet er diese zunächst? Ganz simpel, ganz massiv und, um die Wahrheit zu sagen, nicht ohne ein Feld unendlicher Verlegenheit aufzutun, als Objekte gesellschaftlichen Werts, als Objekte, die von der Menge gebilligt werden, weil es Objekte öffentlichen Nutzens sind." (Sem VII/117)

Dann wendet Lacan jedoch ein, daß das Verhältnis zum Ding "in eine narzißtischen, imaginären Verhältnis entsteht" (Sem VII/121), wie weiter oben ja bereits beschrieben.
"Der Objektbegriff wird eingeführt in dieser Täuschungsrelation. Dieses Objekt ist freilich nicht dasselbe, wie jenes, das am Horizont der Triebe auftaucht. Zwischen dem Objekt, das strukturiert ist durch die narzißtische Relation, und dem Ding* ist eine Differenz und genau im Gefälle dieser Differenz liegt für uns das Problem der Sublimierung." (Sem VII/122)

Die Objekte der Sublimierung sind also auf zwei Weisen gebildet: narzißtisch und kulturell:
"Auf der Ebene der Sublimierung kann das Objekt nicht von den imaginären, insbesondere den kulturellen Bildungen abgetrennt werden. Es ist nicht so, daß diese von der Gemeinschaft einfach als nützliche Objekte angesehen würden - die Gemeinschaft findet in ihnen vielmehr einen Bereich von Entspannung, durch welchen sie in gewisser Weise über das Ding* sich täuschen und mit Hilfe ihrer imaginären Bildungen das Feld des Dings* zu kolonisieren vermag." (Sem VII/123)

"In geschichtlich und gesellschaftlich spezifizierten Formen überdecken und täuschen die Elemente a, die imaginären Elemente des Phantasmas, das Subjekt im Punkt von das Ding* selbst." (Sem VII/123)
Nochmals zur Bestimmung des Dings:
"Es handelt sich um jenes ausgeschlossene Innere [...]. Im Innern wovon? Von etwas, das sich, sehr präzise in dem Moment, als Real-Ich* artikuliert, was heißen will: das letzte Reale der psychischen Organisation, real, aufgefaßt als hypothetisch, in dem Sinne, in dem es notwendigerweise unterstellt wird als Lust-Ich*." (Sem VII/126)

Aufgrund dieses hypothetischen Charakters, mißt Lacan dem Ding in erster Linie einen operationalen Wert bei:
"Gewiß, das Wort operational hat hier wie bei jedem Denkfortschritt seinen Wert. Das Ding* wird nicht vollkommen durchleuchtet, auch wenn wir uns seiner bedienen. Das Etikett operational mag Sie in gewisser Weise komisch unbefriedigt lassen, da das, was wir deutlich machen möchten, genau das ist, womit wir es, jeder und alle, auf die unoperationalste Weise zu tun haben." (Sem VII/129)

Diese unoperationale Weise beschreibt er am Beispiel gesellschaftsgeschichtlicher Entwicklung:
"Alle Epochen haben geglaubt, auf dem höchsten und schärfsten Punkt einer Konfrontation mit ich weiß nicht was an Letztem, an Jenseits der Welt angekommen zu sein, das für die Welt eine spürbare Bedrohung darstellte." (Sem VII/129)

Nun grenzt Lacan den Begriff der Sublimierung gegen den des Symptoms ab:
"Die Sublimierung wird uns vorgeführt als verschieden von der ökonomie jener Substitution, in der der Trieb sich für gewöhnlich befriedigt, sofern er verdrängt ist. Das Symptom ist, auf dem Wege der signifikanten Substitution, Wiederkehr dessen, was am Ende des Triebs ist als sein Ziel. [...] Es ist ein Paradox - der Trieb kann sein Ziel anderswo finden als in dem, was sein Ziel ist, ohne daß es sich dabei um die signifikante Substitution handelte, welche die überdeterminierte Struktur, die Ambiguität, die Doppelkausalität dessen ausmacht, was man den symptomatischen Kompromiß nennt." (Sem VII/137)

Wichtig ist also bei der Sublimierung: sie ist kein Kompromiß und sie ist keine signifikante Substitution (wie das Symptom).
"Das Objekt - insofern es die Richtungen, die Attraktionspunkte für den Menschen in seinem Offenen, in seiner Welt spezifiziert, insofern ihn das Objekt angeht als etwas, das mehr oder weniger sein Bild, sein Reflex ist - dieses Objekt genau ist nicht das Ding, insofern dieses im Innersten der Libidoökonomie ist." (Sem VII/138)

Die präzise Beschreibung der Sublimierung lautet nun, daß sie das Objekt zur Würde des Dings erhebt.
Lacan berichtet, um ein Beispiel hierfür zu geben, von einem Besuch bei seinem Freund Jacques Prévert, in dessen Wohnung eine Sammlung von Zündholzschachteln sah, sie so angeordnet waren, daß eine jede Schachtel in die Nähe der nächsten gebracht war mit einer leichten Verrückung des Innenschubers, so daß sich ein zusammenhängendes Band ergab, das
"die Einfassung des Kamins entlanglief, die Wand hochstieg, deren oberen Rand berührte und dann einer Tür entlang wieder herunterkam." (Sem VII/141)
"Ich glaube, daß der Schock, die Neuheit des durch eine solche Anhäufung leerer Zündholzschachteln erreichten Effekts - und dieser Punkt ist wesentlich - darin bestand, etwas in Erscheinung treten zu lassen, mit dem wir uns vielleicht zu wenig beschäftigen, nämlich, daß eine Zündholzschachtel nicht einfach ein Objekt ist, sondern in der Form, in der Erscheinung*, wie sie hier in wahrhaft beeindruckender Multiplikation vorgeführt war, ein Ding sein kann." (Sem VII/141)

Deutlicher spricht er gleich darauf über eine "[...] Aufassungsweise, die weniger der Zündholzschachtel galt als diesem Ding, das in einer Zündholzschachtel subsistiert." (Sem VII/141 f.)
Diese Zündholzschachtel war also in die Würde des Dings erhoben, was jedoch nicht das gleiche ist wie das Ding selbst. Denn:
"Doch bemerken Sie wohl, es ist ein Ding, das darum noch nicht das Ding ist.
Wäre das Ding nicht ein zutiefst verborgenes, würden wir zu ihm nicht die Art Verhältnis haben, das uns nötigt - wie der gesamte Psychismus genötigt ist -, es zu zernieren, das heißt, es nur umrißhaft zu entwerfen, um einen Begriff davon zu haben. Da, wo es affirmiert wird, wird es in domestizierten Feldern affirmiert." (Sem VII/146)

Diese domestizierten Felder sind natürlich die zeichenvermittelten des imaginären und symbolischen Bereichs.
"Daher können wir, negativ, sagen, daß es nichts gibt zwischen der Organisation im Signifikantennetz, im Netz der Vorstellungsrepräsentanzen*, und der Art und Weise, wie im Realen dieser Raum, dieser zentrale Platz konstituiert ist, unter dem sich für uns das Feld des Dings als solchen präsentiert." (Sem VII/146 f.)

"Seiner Natur nach ist das Objekt ein wiedergefundenes Objekt. Daß es verloren sei, ist die Konsequenz - jedoch nachträglich. Und also ist es wiedergefunden, ohne daß wir anders als aus diesen Wiederfindungen wüßten, daß es verloren ist." (Sem VII/147)

"Es ist das zweite Charakteristikum des Dings als verborgenen - seiner Natur nach ist es, in den Wiederfindungen des Objekts, repräsentiert durch ein anderes." (Sem VII/147)
"Es ist klar, was gefunden wird, wird gesucht, doch gesucht auf den Wegen des Signifikanten." (Sem VII/147)

Nun kommt eine kunsttheoretische Aussage:
"Ich setze, daß ein Objekt die Funktion, die ihm ermöglicht, das Ding als Signifikant nicht zu umgehen, es vielmehr zu repräsentieren, zu erfüllen vermag, insoweit dieses Objekt ein erschaffenes ist." (Sem VII/148)

Und als archaischstes Beispiel für Kreativität nennt Lacan den Töpfer und den geformten Krug:
"Dieses Nichts an Besonderheit, das ihn in seiner Signifikantenfunktion charakterisiert, ist in seiner Leib gewordenen Form, was für den Krug als solchen charakteristisch ist. Es ist eben die Leere, die er erschafft, und er führt im selben die Aussicht ein, sie zu füllen. So sind die Leere und die Fülle durch den Krug in eine Welt eingeführt, die aus sich selbst nichts dergleichen kennt. Von diesem geformten Signifikanten aus, wie es der Krug ist, treten Leere und Fülle in die Welt, nicht mehr und nicht weniger, und mit demselben Sinn." (Sem VII/149)

"Und daher erschafft der Töpfer, ganz so wie Sie, zu denen ich spreche, den Krug mit seinen Händen um diese Leere herum, erschafft ihn, ganz wie der mythische Schöpfer, ex nihilo, vom Loch aus.
Alle Welt witzelt über Makkaroni, die aus einem Loch bestehen mit irgendwas drum herum, oder über Kanonenrohre. Daß man lacht, ändert nichts an dem, was damit ist - es gibt Identität zwischen der Ausformung des Signifikanten und der Einführung einer Kluft, eines Lochs im Realen." (Sem VII/151)

"Und der Begriff der Schöpfung ex nihilo ist der genauen Lage des Dings als solchen koextensiv." (Sem VII/151)
An dieser Stelle kommt Lacan nochmals auf die drei psychischen Dispositionen zurück und stellt dar, wie diese Mechanismen sublimiert werden:
"So habe ich Ihnen einmal eine sehr knappe Formel angeführt, in welcher die jeweiligen Mechanismen der Hysterie, der Zwangsneurose und der Paranoia mit drei Termen der Sublimierung in Verbindung gebracht werden, Kunst, Religion und Wissenschaft." (Sem VII/159 f.)

Lacan erläutert im folgenden, daß diese drei Formen der Sublimierung bestimmte Relationen zu diesem Ding darstellen, und zwar so, daß dieses Ding dabei" stets durch eine Leere repräsentiert sein [wird], weil es nicht durch anderes repräsentiert werden kann - oder genauer, weil es repräsentiert werden kann allein durch anderes.". (Sem VII/160)
Diese Relation zum Ding, bzw. jener Leere, die es repräsentiert erläutert Lacan nun für die drei Diskurstypen:
"Für alle Kunst ist eine bestimmte Weise der Organisation charakteristisch, die um jene Leere herum kreist." (Sem VII/160)

"Die Religion besteht in allen Weisen, dieser Leere aus dem Wege zu gehen." (Sem VII/160)
"Was [...] den Diskurs der Wissenschaft [angeht], sofern der Ursprung desselben für unsere überlieferung im Diskurs der Weisheit, im Diskurs der Philosophie liegt, so kommt in ihm das Wort voll zur Geltung, das Freud bei der Paranoia und ihrem Verhältnis zur Realität verwendete - Unglauben*." (Sem VII/160)

"Was den Unglauben angeht, gibt es da, aus unserer Sicht, eine Position des Diskurses, die sehr genau zu begreifen ist im Verhältnis zum Ding - das Ding wird in ihr verworfen im eigentlichen Sinne der Verwerfung*.
Ebenso wie es in der Kunst eine Verdrängung* des Dings, in der Religion vielleicht eine Verschiebung* gibt, geht es im Diskurs der Wissenschaft, eigentlich gesprochen, um Verwerfung*. Der Diskurs der Wissenschaft verwirft die Präsenz des Dings, insofern, aus seiner Sicht, sich das Ideal des absoluten Wissens abzeichnet, das heißt das Ideal von etwas, das zwar das Ding setzt, doch mit ihm nicht rechnet. Jedermann weiß, daß diese Sicht sich in der Geschichte letztlich als ein Scheitern herausstellt.
Der Diskurs der Wissenschaft ist von dieser Verwerfung* bestimmt, deshalb wahrscheinlich - was vom Symbolischen verworfen wird, erscheint nach meiner Formel im Realen - läuft er auf eine Sicht hinaus, in der, am Ende der Physik, ein so Rätselhaftes wie das Ding sich abzeichnet." (Sem VII/162)

Lacan deutet die Position seines eigenen psychosemiologischen Konzepts innerhalb dieser Diskurstypen als Formen der Sublimierung an:
"Es ist klar, daß wir den Akzent auf das setzen, was an Irredziblem vorhanden ist im Trieb, auf das, was sich am Horizont einer Vermittlung als das zeigt, was die Verdinglichung nicht einzuschließen vermag. Indem wir jedoch im Kreis um dieses Etwas herumgehen, umkreisen wir jenes leere Bild." (Sem VII/165)

Das bedeutet, Lacan konstruiert in etwa einen Diskurstyp, der dem wissenschaftlichen Diskurs ein Quäntchen Hysterie beimengt.
"[...] wenn ich vom Ding spreche, spreche ich sehr wohl von etwas. Aber wohlverstanden, freilich, ich spreche auf operationelle Weise davon, des Platzes wegen, den es in einem bestimmten logischen Abschnitt unseres Denkens und unserer Begriffsbildung einnimmt, seiner Funktion wegen in dem, womit wir es zu tun haben." (Sem VII/169)

Eine weitere Annäherung an das, "[...] was wir als den zentralen Ort, die intime Exteriorität, die Extimität beschreiben, die das Ding ist [...]." (Sem VII/171)
Ausgehend von der Annahme, daß die Kunst das Ding umkreise, sagt Lacan:
"Sicher, die Kunstwerke ahmen die Objekte, die sie darstellen, nach, doch ihre Absicht ist gerade nicht, sie darzustellen. Indem sie eine Nachahmung des Objekts geben, machen sie aus diesem Objekt etwas anderes. Also geben sie nur vor nachzuahmen. Das Objekt ist in ein bestimmtes Verhältnis zum Ding gebracht, was getan wird, um gleichzeitig einzukreisen, zu vergegenwärtigen und Abwesenheit zu erzeugen." (Sem VII/173 f.)

Und als Beispiel hierfür:
"In dem Augenblick, in dem Cézanne äpfel malt, macht er, indem er äpfel malt, offenkundig etwas ganz anderes, als daß er äpfel malt - obwohl seine letzte Weise, sie nachzuahmen, die die packendste ist, am weitesten an der Technik der Vergegenwärtigung des Objekts orientiert ist. Je mehr indessen das Objekt vergegenwärtigt ist als nachgeahmtes, um so mehr erschließt es uns die Dimension, in der die Täuschung zerbricht und auf etwas anderes zielt. Jeder weiß, daß ein Geheimnis ist in der Art und Weise, wie Cézanne äpfel malt, denn das sich dergestalt in der Kunst erneuernde Verhältnis zum Realen läßt das Objekt in einer Weise auftauchen, die lustrativ ist, eine Erneuerung seiner Würde darstellt, wodurch auf eine neue Weise diese imaginären Einrückungen, wenn ich so sagen kann, datisiert werden. Wie man bemerkt hat, sind diese nämlich nicht von den Anstrengungen der vorausgehenden Künstler abzulösen, um ihrerseits das Ziel der Kunst zu verwirklichen." (Sem VII/174)

Das Paradox des Genießens

Lacan klassifiziert das Verhältnis zwischen Glauben und Wissen, womit er auf den wissenschaftlichen Diskurs als Sublimierungsform des zwangsneurotischen Mechanismus anspielt:
"Es reicht nicht, daß bestimmte Themen nur bei Leuten häufig vorkommen, die zu glauben glauben - was wissen wir schon darüber! -, auf daß dieser Bereich allein für sie reserviert wäre. Für sie, und nehmen wir an, sie glauben wirklich daran, sind es nicht Glaubenssätze, sondern Wahrheiten. Woran immer sie glauben, ob sie nun glauben, daß sie daran glauben oder nicht daran glauben - nichts ist mehrdeutiger als der Glaube -, eine Sache ist gewiß, nämlich daß sie es zu wissen glauben. Das ist dann ein Wissen wie jedes andere und fällt ins Feld der Prüfung, wie wir sie jedem Wissen zugestehen müssen eben in dem Maße, als wir, Analytiker, denken, daß es kein Wissen gibt, das sich nicht auf einem Grund von Unwissenheit erhebt. Genau das ermöglicht uns, eine gute Anzahl von anderen Wissen als das wissenschaftlich begründete gelten zu lassen." (Sem VII/208)

In diesem Zusammenhang kommt Lacan auf das Problem zu sprechen, wie die monotheistische Religion auftreten konnte. Dieser Exkurs ist wichtig, insofern er aufzeigt wie das Gesetz (Moralgesetz) und mithin der zwangsneurotische Charakter der monotheistischen Religion und damit der abendländischen Kultur entstehen konnte. Lacan bezieht sich hierbei vor allem auf Freuds Text DER MANN MOSES UND DIE MONOTHEISTSICHE RELIGION.
"Wir haben hier eine Trennung zwischen dem Rationalisten Moses und jenem Moses mit Eingebungen, dem Obskurantisten, von dem nur wenig gesprochen wird. Indem er sich auf die Prüfung der geschichtlichen Spuren stützt, kann Freud indessen einen begründeten Weg zur Botschaft des Rationalisten nur insofern aufspüren, als diese Botschaft nur im Dunkeln überliefert wurde, das heißt, in der Verdrängung an die Tötung des Großen Mannes gebunden war. [...] Dies ist der christlichen Tradition so nahe, daß es beeindruckt - insofern die Urtötung des Großen Mannes in einer zweiten Tötung auftaucht, die sie gleichsam übersetzt an den Tag bringt, in der Tötung Christi, in ihr vollendet sich die monotheistische Botschaft." (Sem VII/212)

Lacan erläutert, daß es sich bei dieser Urtötung um das Urverbrechen an dem ursprünglichen Gesetz handelt, daß Moses repräsentierte.
"Und hier kommt man zu einer Klassifizierung des Imaginären, das sich dem, was den Ursprung der monotheistischen überlieferung auszeichnet, entgegensetzt und in den ersten Geboten insofern enthalten ist, als sie die Gesetze des Wortes sind - du sollst von mir kein Abbild machen und damit du nicht Gefahr läufst, es zu tun, sollst du dir überhaupt kein Bild machen." (Sem VII/212)

"Was die anderen Religionen angeht, die er [Freud; Anm. N.O.] vage als orientalische Religionen bezeichnet, womit er, denke ich, auf die ganze Klaviatur, auf Buddha, Laotse und andere anspielt, so sind diese allesamt, wie er mit einer Kühnheit, vor der man sich nur verneigen kann, so verwegen uns das auch erscheint, sagt, allein Kult des Großen Mannes.
Ich bin durchaus nicht dabei, das zu unterschreiben. Aber in der Geschichte der Verkörperungen Buddhas ließe sich doch einiges auffinden, in dem man, legitim oder nicht, das Schema Freuds wiederfinden könnte, nämlich daß diese anderen Religionen hier stehen geblieben sind, da sie die Entwicklung des Dramas nicht bis ans Ende vorangetrieben haben, das heißt bis an den Punkt der christlichen Erlösung." (Sem VII/213)

Lacan erläutert nochmals die Wirkung der ursprünglichen Vatertötung:
"Diese Tat ist das ganze Geheimnis. Es verhüllt uns, daß die Tötung des Vaters den Weg zum Genuß, den man durch seine Gegenwart für verboten hielt, nicht nur nicht öffnet, sondern in verstärktem Maße verbietet." (Sem VII/214)

"Diese Kluft eines Verbots wird also aufrechterhalten, artikuliert, sichtbar durch den Mythos, aber sie ist zugleich tief verhüllt durch ihn. [...] Wichtig ist, daß wir uns an das halten, was diese Kluft mit sich bringt. Alles, was sie überwindet, wird als Schuld verbucht im Großen Buch der Schuld. Alle übung des Genusses bringt etwas mit sich, das sich im Schuldbuch im Gesetz einschreibt." (Sem VII/214)

"Wer immer es unternimmt, sich dem Moralgesetz zu unterwerfen, sieht sich immer kleinlicher und grausamer werdenden Forderungen seines überichs konfrontiert." (Sem VII/214) "Wenn aber Gott tot ist für uns, dann ist er es seit jeher, und genau dies sagt uns Freud. Vater war er je nur in der Mythologie des Sohnes, das heißt in derjenigen des Gebots, das ihn zu lieben heißt, ihn, den Vater, und im Drama der Passion, das uns zeigt, daß es eine Auferstehung jenseits des Todes gibt." (Sem VII/215 f.)

Gott ist also tot, aber:
"Nur, da ist der nächste Schritt - Gott, seinerseits, weiß es nicht. Und, durch Supposition, er wird es nie wissen können, da er seit je tot ist. Diese Formel führt uns an das heran, was wir hier zu lösen haben, an das, was uns auf der Hand bleibt von diesem Abenteuer und was das ethische Problem in seinen Grundlinien verändert: daß der Genuß uns verboten bleibt wie zuvor - bevor wir wissen, daß Gott tot ist." (Sem VII/223)

Hier macht Lacan eine Sprung zum Freudschen Text DAS UNBEHAGEN IN DER KULTUR und folgert aus dem eben Gesagten:
"Daraus resultiert, [...] daß das Genießen ein übel ist. Freud führt uns hier an der Hand - es ist ein übel, weil es das übel des Nächsten mit sich bringt." (Sem VII/223)

"Wer Märchen vorzieht, schließt lieber die Ohren, wenn man ihm von der angeborenen Neigung des Menschen zur Boshaftigkeit, zur Aggression, zur Zerstörung und als auch zur Grausamkeit spricht. Und das ist nicht alles - dem Menschen ist der Nächste [...] eine Versuchung, seine Aggression an ihm zu befriedigen [...]." (Sem VII/224)

"Dabei können wir uns darauf stützen, daß ein jedes Mal, wenn Freud wie schaudernd vor der Konsequenz des Gebots der Nächstenliebe einhält, jene tiefe Bösartigkeit auftaucht, welche in dem Nächsten wohnt. Dann aber wohnt sie aber auch in mir selbst. Und was ist mir näher als dieses Innerste in mir, das das Innerste meines Genießens ist, dem ich mich nicht zu nähern wage? Sowie ich mich ihm nähere - das ist der Sinn des Unbehagens in der Kultur -, erscheint jene unergründliche Aggressivität, vor der ich zurückweiche, die ich gegen mich wende und die dann, an der Stelle des ohnmächtigen Gesetzes eben, ihr Gewicht an das abtritt, was mich hindert, eine bestimmte Grenze an der Schranke des Dings zu überschreiten." (Sem VII/225 f.)

"Dazu müßte man versuchen, sich der Tatsache zu stellen, daß es der Genuß meines Nächsten ist, sein schädlicher, sein böser Genuß, was sich meiner Liebe als das wirkliche Problem stellt." (Sem VII/227)

"Wahr bleibt die Wahrheit, daß der Mensch das Glück sucht. Der Widerstand angesichts des Gebotes Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst und der Widerstand, der zur Wirkung kommt, seinem Zugang zum Genuß Fesseln anzulegen, sind ein und dasselbe.
Diese Aussage kann als ein Paradox mehr erscheinen, als eine grundlose Behauptung. Aber erkennen Sie daran nicht trotzdem, auf was wir uns in allgemeinster Form ein jedesmal beziehen, wenn wir das Subjekt tatsächlich vor seinem Genuß zurückschrecken sehen? Was machen wir da geltend? Die unbewußte Aggressivität, die in ihm ist, jenen schrecklichen Kern des destruo, welches, was immer die kleinen Aufführungen, die analytischen Zierereien und Affentänze diesbezüglich sein mögen, nichtsdestoweniger das ist, womit wir in unserer Erfahrung dauernd konfrontiert sind." (Sem VII/234)

"Ich weiche davor zurück, meinen Nächsten wie mich selbst zu lieben, weil an diesem Horizont etwas ist, das an ich weiß nicht was für einer unerträglichen Grausamkeit partizipiert." (Sem VII/235)

"Wovor weichen wir zurück? Wir weichen davor zurück, gegen das Bild des anderen zu freveln, weil es das Bild ist, nach dem wir uns als ich geformt haben. Hier liegt die überzeugungskraft des Altruismus. Hier auch die gleichmacherische Kraft eines bestimmten Gleichheitsgesetzes, die im Begriff des Gemeinwillens zum Ausdruck kommt." (Sem VII/236)

"Ich hebe die Trugwirkungen des Ebenbilds hervor, insofern von diesem Ebenbild die Verkennungen ausgehen, die mich als Ich definieren." (Sem VII/239)

Lacan nennt de Sade als einen Autor, der dennoch versucht habe, eben diese Schranke des Genießens zu übertreten.
"Sade gehört also in die Ordnung der experimentellen Literatur, wie ich es nennen möchte. Das Kunstwerk zeigt sich hier als ein Experiment, das in seinem Verlauf das Subjekt aus seinen psychosozialen Vertäuungen reißt - um nicht im Ungefähren zu bleiben, würde ich sagen: aus jeder psychosozialen Wertung der Sublimierung, um die es geht." (Sem VII/243)

"Wenn man in Richtung auf diese zentrale Leere vorangeht, sofern der Zugang zum Genuß sich uns bis jetzt in eben dieser Form darstellt, ist da eine Zerstückelung des Körpers des Nächsten." (Sem VII/244)

"Die wirkliche Schranke, die das Subjekt vor dem unbenennbaren Feld des radikalen Begehrens einhalten läßt, das das Feld absoluter Destruktion, der Destruktion über die Verwesung hinaus ist, ist das ästhetische Phänomen im eigentlichen Sinn, insoweit es mit der Erfahrung des Schönen zusammenfällt - das Schöne in seiner strahlenden Erscheinung, in seinem Glanz, das Schöne, von dem gesagt wurde, daß es der Glanz des Wahren sei. Eben weil offenkundig das Wahre nicht so hübsch aussieht, ist das Schöne wenn nicht sein Glanz, so doch zumindest seine Glasur." (Sem VII/262)

Lacan fährt fort, die Begriffe, die üblicherweise im Rahmen von ethischen Konzepten ins Spiel gebracht werden, einer Prüfung zu unterziehen. Da Psychoanalyse sich beispielsweise unter den Titel des Guten stellt, sagt Lacan nun:
"Ich werde Ihnen also vom Guten sprechen und vielleicht werde ich schlecht von ihm sprechen in dem Sinne, daß ich Ihnen nicht nur Gutes vom Guten zu sagen habe." (Sem VII/263)
Das von der Psychoanalyse verfolgte Gut ist natürlich das, das Subjekt zu heilen, und zwar "von den Einbildungen, die es auf dem Weg seines Begehrens zurückhalten." (Sem VII/264).

"Was ein Subjekt ursprünglich repräsentiert, ist nichts anderes als dies - es kann vergessen. Nehmen Sie dieses es weg - das Subjekt ist buchstäblich an seinem Ursprung und als solches die Auslassung eines Signifikanten, der übersprungene Signifikant in der Kette." (Sem VII/270)

"Indem ich die Beraubung der Frustration und der Kastration entgegensetzte, sagte ich Ihnen, daß sie eine Funktion ist, die als solche eingerichtet ist im Symbolischen, in dem Sinne, daß nichts an nichts beraubt wird, was nicht hindert, daß das Gut, dessen man sich beraubt sieht, durchaus real ist. Wichtig ist freilich, daß der Raubende eine imaginäre Funktion darstellt. Es ist der kleine andere, der Nebenmensch, der in diesem Verhältnis halb in dem Natürlichen wurzelt, das das Spiegelstadium ist, jedoch so, daß er sich uns eben dort präsentiert, wo die Dinge sich auf der Ebene des Symbolischen artikulieren. Das ist eine Erfahrungstatsache, an die Sie sich in der Analyse stets erinnern müssen - was man "seine Güter verteidigen" nennt, das ist ein und dasselbe wie sich selbst zu verbieten, sie zu genießen.
Die Dimension des Guten errichtet auf dem Weg unseres Begehrens eine mächtige Wand." (Sem VII/277)

"[...] die Angst mit ihren Gespenstern ist bereits eine Abwehr, die lokalisierbar ist, ein Schutz gegen etwas, das jenseits von ihr ist und das eben das ist, was wir nicht wissen." (Sem VII/279)

"Die wirkliche Natur des Guten, sein tiefer Doppelcharakter liegt darin, daß es nicht schlicht und einfach ein natürlich Gutes ist, die Antwort auf ein Bedürfnis, sondern mögliche Macht, Macht zu befriedigen. Deshalb organisiert sich jedes Verhältnis des Menschen zum Realen der Güter durch das Verhältnis zur Macht, die die Macht des anderen ist, des imaginären anderen, ihn derselben zu berauben." (Sem VII/281)

"Was das Ideal-Ich angeht, das der imaginäre andere ist, den wir auf derselben Ebene vor uns haben, so repräsentiert dieses durch sich selbst das, was uns beraubt." (Sem VII/282)
Demgegenüber versucht Lacan nun abzugrenzen, was das Kunstwerk bedeutet, das für ihn nicht einfach ein Gut darstellt.
"Man muß sagen, die Zusammenfassung, die Freud uns von der Bahn des Künstlers liefert, ist gleichsam grotesk - der Künstler, sagt er, gibt dem verbotenen Begehren eine schöne Form, damit jeder, der ihm sein kleines Kunsterzeugnis abkauft, seine Kühnheit belohne und billige. Das heißt in der Tat, das Problem kurzzuschließen." (Sem VII/286)
"[...] es gibt ein bestimmtes Verhältnis des Schönen zum Begehren." (Sem VII/287)

Das Wesen der Tragödie

Nach einigen Bemerkungen über den Begriff der Katharsis kommt Lacan unvermittelt auf Antigone von Sophokles zu sprechen:
"Antigone zeigt uns in der Tat den Zielpunkt, der das Begehren definiert. Dieses Ziel geht auf ein Bild, das ich weiß nicht was für ein bisher nicht artikulierbares Geheimnis birgt, das mit den Augen blinzeln ließ in dem Moment, wo man es betrachtete. Diese Bild ist gleichwohl im Mittelpunkt der Tragödie, denn es ist das faszinierende Bild der Antigone selbst." (Sem VII/298)

"Was verleiht diesem zentralen Bild die zerstreuende Macht in bezug auf alle anderen, die auf einen Schlag in ihm zusammenzufallen und zu schwinden scheinen? [...] Es liegt an der Schönheit Antigones - ich erfinde das nicht [...] und ich werde Ihnen zeigen, daß das die Schlüsselstelle ist - und zwar an dem Ort, den sie einnimmt im Zwischenraum von zwei symbolisch unterschiedenen Feldern. Ihren Glanz hat sie zweifellos aus diesem Ort [...]." (Sem VII/299)

Lacan geht es also vor allem darum, den Ort zu definieren, den Antigone einnimmt. Dieser wird durch ihr Schicksal bestimmt als einer, lebendig begraben zu werden.
"Das zentrale Drittel des Stückes bildet die detaillierte Apophanie, die uns von der Bedeutung der Stellung, des Loses eines Lebens gegeben wird, das sich mit dem Tod, der gewiß ist, vermischen wird, einem Tod, der antipiziert wird, einem Tod, der auf den Bereich des Lebens übergreift, Leben, das auf den Tod übergreift. [...]
Bei der Durchquerung dieses Bereichs wird der Strahl des Begehrens gleichzeitig zurückgeworfen und zurückgenommen, um uns schließlich von dieser so einzigartigen Wirkung das Tiefste zu geben, welches die Wirkung des Schönen auf das Begehren ist.
Das scheint es einzigartig zu verdoppeln dort, wo es seinen Weg geht. Man kann nämlich nicht sagen, daß das Begehren dadurch, daß das Schöne erfaßt wird, vollkommen ausgelöscht würde - es setzt seinen Lauf fort, aber mehr als anderswo eignet ihm hier das Gefühl des Trugs, der sich im Bereich des Glanzes und der Herrlichkeit zeigt, von dem es sich mitreißen läßt. Andererseits weiß es, nicht zurückgenommen, aber reflektiert, zurückgeworfen, daß seine Aufregung das Realste ist. Doch da ist keinerlei Objekt mehr.
Von daher diese zwei Seiten. Auslöschung oder Mäßigung des Begehrens durch die Wirkung der Schönheit [...]. Und auf der anderen Seite diese Disruption jeglichen Objekts [...]." (Sem VII/299 f.)

"Kreon steht für eine Funktion, die wir in bezug auf die Struktur der tragischen Ethik demonstrieren, die die der Psychoanalyse ist - er will das Gute. Was alles in allem seine Rolle ist. Das Oberhaupt ist der, der die Gemeinschaft führt. Er ist da für das Wohl aller." (Sem VII/310)

Ihm unterläuft dabei jedoch ein gewisser Urteilsfehler:
"Sein Urteilsfehler, den wir hier besser erfassen können, als es das Denken, die Freundin der Weisheit, je vermochte, besteht darin, daß er aus dem Wohl aller, ich möchte nicht sagen, das Höchste Gut - vergessen wir nämlich nicht, daß das sehr alt ist, 441 v. Chr., und daß Freund Platon uns das Wunder dieses Höchsten Gutes da noch nicht geschmiedet hatte -, wohl aber das grenzenlose Gesetz machen will, das höchste Gesetz, das Gesetz, das über die Grenze hinausgeht, das die Grenze überwindet. Er bemerkt nicht einmal, daß er diese berühmte Grenze überschreitet [...].
Das Gute vermag nicht über alles zu herrschen, ohne daß ein Exzeß auftaucht, dessen fatale Konsequenzen die Tragödie uns kundtut." (Sem VII/311)

"Die Grenze, um die es geht und die zu bestimmen wesentlich ist, damit vermittels Reflexion ein bestimmtes Phänomen in Erscheinung treten kann, das ich in erster Annäherung das Phänomen des Schönen genannt habe, ist das, was ich als die Grenze des Zweiten Todes zu definieren begonnen habe.
Und ich habe sie zuerst bei Sade vorgeführt als die Grenze, die die Natur im Ursprung ihrer formgebenden, den Wechsel von Zersetzung und Zeugung regelnden Kraft selbst einkreisen soll" (Sem VII/312 f.)

Jenseits dieser Grenze gibt es das Sadesche Verbrechen, das die natürliche Ordnung nicht respektiert, "um sie sozusagen zu einem Neubeginn aus nichts zu zwingen." (Sem VII/313)
"Nicht umsonst ist das Verbrechen für uns ein Horizont unserer Erforschung des Begehrens und nicht umsonst hat Freud ausgehend von einem Urverbrechen die Genealogie des Gesetzes zu rekonstruieren versucht. Die Grenzen des aus nichts, des ex nihilo, genau da hält sich [...] mit Notwendigkeit ein Denken, das streng atheistisch sein will. Ein streng atheistisches Denken läßt sich in der Perspektive des Kreationismus ansiedeln und in keiner anderen." (Sem VII/313)

Lacan beschreibt dann die Szene, in der berichtet wird, das der verwesende Leichnam des Bruders der Antigone, von dem Staub gesäubert wird, mit dem sie ihn zuvor bedeckt hatte, um ihn den Blicken zu entziehen. Dann sei jedoch ein Wind aufgekommen, der stinkende Staub hätte die ganze Luft erfüllt, alle seien geflohen, doch in diesem Augenblick taucht Antigone auf, "Klagelaute ausstoßend, sagt der Text, wie ein Vogel, dem die Jungen geraubt wurden. [...]
Das zeigt recht gut, was die Evozierung des Vogels in der antiken Dichtung stets symbolisiert. Vergessen wir nicht, wie nahe die heidnischen Mythen und Gedanken der Metamorphose sind - denken Sie an die Verwandlung von Philemon und Baucis. Bei Euripides ist die Nachtigall das Bild, in das sich das Menschenwesen auf der Ebene der Klage zu verwandeln scheint. Die Grenze, an der wir hier sind, ist eben die, an der die Möglichkeit der Metamorphose anzusiedeln ist [...]." (Sem VII/318)

"I , das ist wörtlich das sichtbar gemachte Begehren. Von solcher Art ist das, was in dem Moment erscheint, in dem die lange, in der Todesstrafe gipfelnde Szene spielt." (Sem VII/322)

Auf diese Szene folgt der Gesang des Chors, der drei verschiedene Schicksale beschreibt, "die sämtlich auf diese Grenze von Leben und Tod, die Grenze des noch lebenden Leichnams hin orchestriert sind" (Sem VII/322)
"Welche Oberfläche macht es möglich, daß das Bild Antigones als Bild einer Passion auftaucht? Ich habe letzthin in bezug auf sie an das Mein Vater, warum hast du mich verlassen? erinnert, das wörtlich in einem Vers gesagt wird. Die Tragödie ist das, was sich nach vorn ausbreitet, um dieses Bild zu erzeugen. Indem wir es analysieren, folgen wir einem umgekehrten Vorgang, wir studieren, wie man dieses Bild konstruieren mußte, um diesen Effekt hervorzubringen." (Sem VII/327)

Da Antigone von vornherein weiß, was sie erwartet, daß sie den Ausgang dieses Spiels kennt, und ihm dennoch nicht ausweicht, übertritt sie selbst diese Grenze. Sie beugt sich nicht dem Gesetz Kreons, da sie sich präzise an dem oben erwähnten Fluchtpunkt jeglichen Gesetzes befindet.
"Von da aus etabliert sich für uns ein bestimmtes Verhältnis zum Jenseits des zentralen Feldes, aber auch das, was uns untersagt, dessen wirkliche Natur zu sehen, das, was uns blendet und uns von seiner wirklichen Funktion trennt. Was an der Schönheit berührt, bringt jedes kritische Urteil ins Wanken, stoppt die Analyse und taucht die unterschiedlichen Formen, die im Spiel sind, in Konfusion oder vielmehr in essentielle Blindheit.
Der Effekt der Schönheit ist ein Blendungseffekt. Es geschieht etwas jenseits, das nicht zu sehen ist." (Sem VII/337)

"Nichts ist weniger dionysisch als die Tat und die Gestalt Antigones. Aber Antigone treibt die Erfüllung dessen, was man das reine Begehren nennen kann, bis an die Grenze, das reine und einfache Todesbegehren als solches. Dieses Begehren verkörpert sie." (Sem VII/339)

Die tragische Dimension der psychoanalytischen Erfahrung

Lacan kommt hier wieder auf das Thema der Sublimierung zurück, und auf seine Aussage, das in der Sublimierung der Trieb sein Ziel in einem anderen Ziel finden kann, als was sein Ziel ist.
"Tatsächlich ist das Kaninchen, das aus dem Zylinder geholt werden soll, bereits im Trieb. Dieses Kaninchen ist kein neues Objekt, es ist der Wechsel des Objekts in sich selbst." (Sem VII/350)

"In der Definition der Sublimierung als einer Befriedigung ohne Verdrängung gibt es implizit oder explizit einen übergang vom Nichtwissen zum Wissen, ein Anerkennen dessen, daß das Begehren nichts anderes ist als die Metonymie des Diskurses des Anspruchs. Es ist der Wechsel als solcher. Ich bestehe darauf - diese im eigentlichen Sinne metonymische Verhältnis eines Signifikanten zum anderen, das wir Begehren nennen, ist nicht das neue Objekt, auch nicht das Objekt von früher, es ist der Wechsel des Objekts in sich selbst." (Sem VII/350)

"Wenn man es wagt, eine Befriedigung zu formulieren, deren Preis nicht die Verdrängung ist, dann ist das Thema, das in den Mittelpunkt rückt und sich in einer Vorrangstellung zeigt, dieses - Was ist das Begehren? [...] sein Begehren zu realisieren, geschieht mit Notwendigkeit immer in der Perspektive einer absoluten Bedingung. Da der Anspruch zugleich jenseits und diesseits seiner selbst ist, verlangt er, sich mit Signifikantem artikulierend, stets nach anderem, fordert in jeder Bedürfnisbefriedigung anderes, breitet und fügt sich die formulierte Befriedigung in diese Kluft, bildet sich das Begehren als das, was diese Metonymie unterstützt, das heißt das, was der Anspruch über das, was er formuliert, hinaus sagen will. Und deshalb wird die Frage der Realisierung des Begehrens notwendig in der Perspektive des Jüngsten Gerichts formuliert." (Sem VII/350 f.)

"Ich wollte Ihnen zeigen, daß die Funktion des Signifikanten im Zugang des Subjekts zu seinem Verhältnis zum Tod begreiflicher gemacht werden kann, als es in einem konnotativen Bezug geschieht. Deshalb versuchte ich bei der letzten Begegnung, es für Sie erkennbar zu machen in ästhetischer, das heißt sinnlich wahrnehmbarer Form, der des Schönen - wobei es genau die Funktion des Schönen ist, uns den Ort anzuzeigen, an dem der Mensch sich zu seinem eigenen Tod verhält, dies freilich nur in einer Blendung." (Sem VII/352)

"Wie Claudel in seiner Studie über die niederländische Malerei auf bewundernswerte Weise gezeigt hat, vergegenwärtigt das Stilleben, indem es uns gleichzeitig zeigt und verhüllt, was in ihm Drohung, Auflösung, Ablauf, Zersetzung ist, das Schöne als Funktion eines zeitlichen Verhältnisses." (Sem VII/355)

"[Die menschliche Gestalt] bildet die Hülle für alle möglichen Phantasien menschlichen Begehrens. Die Blumen des Begehrens sind in diesem Gefäß, dessen Umgrenzung wir festzuhalten versuchen.
Das führt dazu, daß wir die Gestalt des Körpers, und zwar sehr genau das Bild, wie ich das in der Funktion des Narzißmus bereits artikuliert habe, als das setzen, was, in einem bestimmten Verhältnis, das Verhältnis des Menschen zu seinem Zweiten Tod, den Signifikanten seines Begehrens, sein sichtbares Begehren repräsentiert." (Sem VII/355)

"Ist es legitim, das Phantasma des Phallus und die Schönheit des Menschenbildes auf dieselbe Ebene zu stellen? Oder gibt es zwischen ihnen nicht vielmehr einen unmerklichen Unterschied, eine irreduzible Differenz? Daran hat sich das ganze Freudsche Unternehmen gestoßen. In einem seiner letzten Aufsätze, in Die endliche und die unendliche Analyse, sagt Freud ganz am Ende, das Trachten des Patienten breche sich an einer irreduziblen Sehnsucht, welche sich darauf richtet, daß er in keiner Weise Phallus sein kann und daß er, weil er nicht Phallus ist, diesen nur haben kann um den Preis des Penisneides* bei der Frau, der Kastration beim Mann." (Sem VII/357)
Lacan greift hier noch einmal seinen Vergleich des Guten mit den Gütern auf:
"In einem berühmten Aufsatz, der Trauer und Melancholie heißt, sagt Freud auch, daß die Trauerarbeit sich an ein inkorporiertes Objekt hefte, an ein Objekt, dem man aus dem einen oder anderen Grund nicht besonders gut gesonnen ist. Wir richten nicht nur Loblieder an dieses geliebte Wesen, von dem wir in unserer Trauer so viel Aufhebens machen, und wäre es auch nur wegen der Sauerei, die es angerichtet hat, indem es uns verließ." (Sem VII/366)

"Und die Funktion des überichs ist letztlich, in letzter Hinsicht Haß auf Gott, ein Vorwurf, der Gott gemacht wird, weil er die Dinge so schlecht eingerichtet hat." (Sem VII/367)

"Jeder weiß, daß sich diese Kastration am Horizont abzeichnet und daß sie, wohlgemerkt, sich niemals irgendwo ereignet." (Sem VII/367)
"Die einzige Funktion des Vaters, in unserer Artikulierung, ist es, ein Mythos, je und einzig Name-des-Vaters, das heißt, nichts anderes als der tote Vater zu sein [...]." (Sem VII/368)

"Es geschieht in irgendeiner Grenzüberschreitung, einer förderlichen, daß der Mensch zur Erfahrung seines Begehrens kommt." (Sem VII/368)
"[...] weil wir die Natur des Begehrens, das im Zentrum dieser Erfahrung ist, besser erkennen können als die, die uns vorausgegangen sind, ist eine Revision der Ethik möglich, ist ein ethisches Urteil möglich, das sich in der folgenden Frage darstellt, die den Wert eines Jüngsten Gerichts hat - Habt Ihr konform mit Eurem Begehren gehandelt, das Euch innewohnt?
Es ist nicht leicht, diese Frage aufrechtzuerhalten. Ich behaupte, daß sie anderswo niemals in dieser Reinheit gestellt worden ist und nur im analytischen Kontext zu stellen ist." (Sem VII/374)

"Ich behaupte, daß es nur eines gibt, dessen man schuldig sein kann, zumindest in analytischer Perspektive, und das ist, abgelassen zu haben von seinem Begehren." (Sem VII/380) "Die Dinge im Namen des Guten zu tun und, mehr noch, im Namen des Wohls des anderen, ist weit davon entfernt, nicht allein vor Schuld, sondern vor allen Arten innerer Katastrophen Schutz zu bieten. Insbesondere schützt es uns nicht vor der Neurose und deren Folgen." (Sem VII/381)

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