Nina Ort
Institut für deutsche Philologie
Ludwig-Maximilians-Universität München

Referate

Theodor Storm: Der Schimmelreiter. Soziale Probleme in der Bürgerlichen Gesellschaft
Referentinnen: Khatuna Koroglischwili, Schorena Koroglischwili-Wastian

Die Biographie

  • 1817 14. September: Hans Theodor Woldsen Storm in Husum geboren. Vater: Justizrat Johan Casimir Storm; Mutter: Luicie, geb. Woldsen.
  • 1821 Umzug ins Haus der Großeltern Woldsen, Husum. Eintritt in die Klippschule der Madame Amberg.
  • <1826 Eintritt in die Quarta der Husumer Gelehrtenschule. 17
  • 1833 7. Juli: erstes Gedicht "An Emma".
  • 1837 Beginn des Jurastudiums an der Kieler Universität, nach einem Jahr Studium an Berliner Universität und Bildungsreise nach Dresden.
  • 1839 Rückkehr an die Kieler Universität. Freundschaft mit Theodor und Tycho Mommsen.
  • 1842 Juristisches Staatsexamen in Kiel. Rückkehr nach Husum; erste juristische Arbeiten in der Rechtsanwaltspraxis des Vaters. Kurz darauf Eröffnung einer eigenen Rechtsanwaltspraxis
  • 1846 Eheschließung mit Constanze Esmarsch in Segeberg
  • 1849 Novelle "Immensee", Kindermärchen "Der kleine Häwelmann".
  • 1865 Tod seiner Frau. Zyklus "Tiefe Schatten". Gast bei dem russischen Dichter Iwan Turgenjew in Baden-Baden. Novelle "Von Jenseits des Meeres", Märchen "Der Spiegel des Cyprianus".
  • 1866 Eheschließung mit Dorothea Jensen
  • 1880 vorzeitige Pensionierung. Verkauf des Hauses Wasserreihe 31 und des Elternhauses.
    Übersiedlung nach Hademarschen: Bau einer Altersvilla.
  • 1888 Novelle "Der Schimmelreiter". Fragment "Die Armesünderglocke".
    Am 4. Juli gestorben, am 7. Juli in der Familiengruft auf dem St.-Jurgen-Friedhof in Husum beigesetzt.

Definition der Novelle

  • Novelle: (it., eigenl=kleine Neuigkeit, zu lat. Novus, novellus=neu), Erzählung in Prosa, seltener Versform, gestaltet ein real vorstellbares Ereignis oder eine Folge weniger, aufeinander bezogener Ereignisse, die gemäß dem Namen Novelle den Anspruch auf Neuheit erheben. Die Ereignisfolge beruht auf einem zentralen Konflikt, der inhaltlich meist einen Gegensatz von Außergewöhnlichem oder Neuartigem mit Normalem bzw. Hergebrachten herausstellt.
  • Wolfgang Goethe (1749-1832) nannte die Novelle "eine sich ereignende, unerhörte Begebenheit".
  • Ludwig Tieck (1773.1853) betrachtet einen unerwarteten Wendepunkt als das wichtigste Merkmal der Novelle: "Bizarr, eigensinnig, phantastisch, leicht witzig, geschwätzig und sich ganz in Darstellung auch von Nebensachen verlierend, tragisch wie komisch, tiefsinnig und neckisch, alle diese Farben und Charaktere lässt die echte Novelle zu, nur wird sie immer jenen sonderbaren auffallenden Wendepunkt haben, der sich von allen anderen Gattungen der Erzählung unterscheidet?"
  • Theodor Storm bezeichnete die Novelle 1881 als die "Schwester des Dramas"

Zur Entstehung der Novelle "Der Schimmelreiter"

  • "Der Schimmelreiter" entstand von Juli 1886 bis zum Februar 1888.
  • Die Novelle spielt in einer Landschaft, die an der Nordsee liegt und Storm aufs engste vertraut war.
  • Theodor Storm trieb intensive Studien über die Sturmfluten.
  • Die Schauplätze der Novelle sind fiktiv und entsprechen doch weitgehend der Wirklichkeit.
  • Storm vermischte absichtlich die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Dichtung.
  • Die Vorlage für den "Schimmelreiter" ist "Die Weichselsage Der Gespenstige Reiter", die zum ersten mal im Danziger Dampfboot abgedruckt wurde (1838).
  • Es gab offenbar geschichtlichen Gestalten, die Anregungen für die Gestalt des Deichgrafen geschenkt haben. Strom hat keine einzelne Persönlichkeit wiedergegeben.
  • Theodor Storm verwendete bei den Vorarbeiten zu seinem Schimmelreiter auch zwei Chroniken, um historischen Ereignisse mit einzubeziehen: "Die Sammlung einiger Husumischen Nachrichten" und "Anton Heimreichs nordfriesische Chronik".

Hauke Haien und die Dorfsbevölkerung

Frauen

  • die Novelle ist männerorientiert; die Mehrzahl der Frauen spielt eine eher marginale Rolle. Für die Frauen ins Wirthaus zu gehen, ist unschicklich; beim Eisboseln sind sie auch ausgeschlossen.
  • in der männlich bestimmten Gesellschaft gewinnen eigentlich nur zwei weibliche Gestalten deutliche Konturen: Trin' Jans und Elke.

Hauke Haien, von einem Kind zum ehrgeizigen "Supermann"

  • Hauke wächst ohne Mutter auf, seine ausschließliche Bezugsperson ist der Vater. Der gilt im Dorf als der klügste Mann. Sein Wissen beruht aber nicht auf theoretischem Wissen, sondern auf eigenen praktischen Erfahrungen.
  • Hauke entwickelt sich schon als Kind zum Naturbeobachter. Die Beobachtung der Deicharbeit führt ihm zu einer kritischen Betrachtung und in Gedanken konstruiert er einen neuen Deichplan.
  • Die Mitmenschen treten für ihn in den Hintergrund. Er wächst ohne soziale Kontakte, ohne positive Erlebnisse einer Freundschaft und ohne soziale Erfahrungen auf.
  • Er versucht schon als Kind zu beweisen der Stärkere zu sein: mit oft tödlichen Steinwürfen auf Vögel.
  • Einen Höhepunkt erreicht sein Streben, Überlegenheit zu demonstrieren, als er den Angorakater, das Ein und Alles von Trin' Jans, tötet.
  • Gleichzeitig ist diese Episode der Abschluss Haukes Kindheit und der Dienstantritt als Kleinknecht des Deichgrafen.

Hauke vom Kleinknecht zum Deichgrafen

  • wegen seiner Rechenkunst wird Hauke dem Großknecht Ole Peters vorgezogen.
  • Ole Peters gilt in Deichsachen vielleicht nicht als der Klügste, aber er steht mit beiden Beinen im Leben und ist sozial integriert.
  • Beim Eisboseln zeigt sich, wie unfähig Hauke ist, für die Gruppe zu kämpfen.
  • Durch Elke bekommt Hauke eine Chance ins soziale Leben einzutreten. Sie hilft Hauke Deichgraf zu werden.
  • Haukes grüblerische Art kommt bei der Dorfbevölkerung nicht gut an. Sein alter Gegner Ole Peters verbreitet böse Worte über Hauke, dass er nur wegen seiner Frau Deichgraf geworden sei.
  • Von nun an steht für Hauke der neue Deichplan im Vordergrund, der aus seiner egoistischen Motivierung hervorgeht.
  • Mit der Eindeichung des neuen Kooges wird zwar Haukes Plan mit großer Willenskraft verwirklicht, aber es gelingt ihm nicht, aufgrund seines Wissens und Könnens als Autorität anerkannt zu werden.
  • In Ole Peters und seinen Mitläufern (Jewe Manners gehört nicht dazu) werden von Storm die geistige Enge und Vorurteile kritisiert, die von Seiten der Dorfgenossen ein vernünftiges "Miteinander" unmöglich machen. Nämlich der dumpfe Aberglaube der Menge, die jederzeit bereit ist "einen tüchtigen Kerl, nur weil er uns im Kopfeslänge überwachsen war, zum Spuk und Nachtgespenst zu machen".
  • Jewe Manners hilft Hauke, wo er kann. Er zeigt, dass mit man freundlichem Zuspruch mehr erreichen kann, als mit herrischem Befehlston.

Haukes Beziehung zur Familie

  • zu Trin'Jans bleibt Hauke auf Abstand.
  • zu seiner Frau bleibt Hauke immer "allezeit der Gleiche", wie sie ihm auch unverändert zur Seite steht.
  • In der Beziehung zu seiner Tochter, die schwachsinnig ist, entwickelt sich Hauke als liebevoller und zärtlicher Vater.
  • Die Familie ist für ihn Zufluchtort und gleichzeitig Ersatz für Freunde.




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