Nina Ort
Institut für deutsche Philologie
Ludwig-Maximilians-Universität München

Referate

Konzeptualisierung von Natur und Kultur
Referentinnen: Miglena Pavlova und Zlatka Ananochteva

1.Allgemeines zu der Novelle "Romeo und Julia auf dem Dorfe"

- erschien 1856
- gehört dem Novellenzyklus "Die Leute von Seldwyla"

Die Hauptpersonen der Handlung:

Manz und Marti, zwei Bauern aus einem Dorf bei Seldwyla
Salomon (Sali), der Sohn von Manz
Vreneli (Vrenchen), die Tochter von Marti
Der schwarze Geiger

Ort der Handlung: ein Dorf in der Nähe des fiktiven Städtchens Seldwyla.

Der Inhalt

Die Bauern Manz und Marti bestellen benachbarte Äcker, in deren Mitte ein weiteres, völlig verwahrlostes, Stück Grund liegt. Nachdem sie das eigene Feld gepflügt haben, reißen beide noch eine Furche in den herrenlosen Acker. Es kommt zum Streit zwischen den zwei Bauern aufgrund deren Anspruch auf dem besitzlosen Stück Land. Durch zahlreiche Prozesse verlieren beide schließlich ihr gesamtes Hab und Gut. Völlig verarmt zieht Bauer Manz mit seiner Familie in die Stadt Seldwyla, in der Hoffnung durch den Betrieb einer Wirtsstube die finanzielle Situation zu verbessern. Bauer Marti und seine Tochter Vrenchen, die nach dem Tod der Mutter allein unter der Tyrannei ihres verwilderten Vaters leidet, wohnen zunächst weiterhin auf dem Land. Nach Jahren treffen sich Manz und Marti beim Fischfang wieder, ihr Haß wird neu entflammt und es kommt auf einer Brücke zum Kampf. Sali und Vrenchen begegnen sich erstmalig wieder. Sie verlieben sich ineinander. Schon am nächsten Tag treffen sie sich ohne das Wissen ihrer Väter auf dem umstrittenen Acker, auf dem sie schon als Kinder gespielt haben. Dort begegnet ihnen der sogenannte schwarze Geiger, der rechtmäßige Erbe des schicksalhaften Feldes, dem aufgrund des fehlenden Heimatsrechts jeglicher Besitzanspruch verweigert wurde. Wieder allein werden Vrenchen und Sali von dem Vater des Mädchens überrascht. Als dieser Anstalten macht, seiner Tochter Gewalt anzutun, schlägt Sali ihn irrenhausreif. Sali und Vrenchen beschließen nocheinmal tanzen zu gehen, bevor diese, nun endg&auuml;ltig auf sich allein gestellt, das Dorf verlassen und sich eine Anstellung suchen muß. In einer Schenke, dem sogenannten "Paradiesgärlein" treffen sie wiederholt den schwarzen Geiger, der ihnen rät zu den Heimatlosen in die Berge zu gehen, um dort illegal zu heiraten. Zunächst wollen Sali und Vrenchen dem Rat folgen, ändern dann aber ihren Beschluß und entscheiden sich für den Freitod.


2. Der Begriff der poetischen/bürgerlichen Realismus

  • Darstellung des Erfahrbaren und des Überprüfbaren
  • klare und scharfe Zeichnung von Szenen, Landschaften und den darin agierenden Personen
  • Bezeichnung der Menschen in ihrem alltäglichen Leben
  • die Handlung der Werke fand meistens in kleinen Orten oder Dörfern am Land statt
  • die bevorzugte literarische Form ist die Novelle
  • die Symbolik: Realisierung in der Reflexion, im Bewusstsein der Figuren.


3. Kellers Novelle "Romeo und Julia auf dem Dorfe"

  • realistische Beschreibung von Naturvorgängen eingebunden in die inneren Zustände der handelnden Personen und das Geschehen insgesamt
  • - das goldene Getreidefeld in der Anfangsszene, die Bauern, die in entgegengesetzter Richtung pflügen, Gewitter, Blitz, Donner, schwarze Wolken, die schwankende Brücke und der einsetzende Regen während des Kampfes zwischen Marti und Manz: Sinnbilder für die fortschreitende Handlung und Hinweis auf die kommende Katastrophe
  • der "schwarze Geiger": Symbol des herannahenden Unglücks und des Todes; Sinnbild für die Ungerechtigkeit und Schlechtigkeit von den Bauern Marti und Manz
  • die Natur ähnlich wie der Fluß: ein "Spiegel" der Stimmung der Charakter
  • zu Beginn: wie in einem Bilderbuch:
    • "eine fruchtbare, wohl bebaute Ebene"
    • "ein schöner Fluß"
    • "ein sonniger Septembermorgen"
  • Manz und Marti in Feindschaft:
    • "ein ziemlich tiefer und reißender Bach"
    • "da der Himmel voll Gewitterwolken hing"
  • beim Kampf auf der Brücke:
    • "rauschen die Wellen des Baches stärker"
  • beim Zusammentreffen von Sali und Vrenchen: Widerspiegelung der glücklichen Stimmung in der Landschaft:
    • "keine Wolke am reinen Himmel"
    • "die Wälder waren mit einem zarten Duftgewebe bekleidet" ( dies symbolisiert die saubere Kleidung der beiden an ihrem letzten Tag.)
  • Bedeutung des Dorfnamen "Seldwyl" "Glücksdörfchen":

    saelde = Glück, Wonne; wyl = Weiler (kl. Dorf)
  • der Fluss: gleichzeitig Symbol des Todes und des Elends, da sich dort die verarmende Schicht versammelt, um zu fischen
  • der Fluss: das erste und das letzte Symbol: Hinweis auf das langsame "Ausschleichen" der Geschehnisse und des Lebens der Verliebten
  • die Steine: Symbol des Wendepunkts und des Anfangs des neuen Lebens; Motiv der Unfruchtbarkeit, Wildnis, Tod und die Zerstörung der Harmonie zwischen den beiden Familien
  • die Puppe: Hinweis auf den Auseinandergang der Familien; lebendig begrabene Fliege: Indikation auf das "lebendige Begräbnis" bei der Unterkunft des Vaters von Vrenchen im Irrenhaus
  • der brachliegende Acker: enge Verknüpfung mit dem Bild der Steine; Ort der Wildnis und der Grausamkeit
  • Kritik der bürgerlichen Gesellschaft: Immer-mehr-Haben-Wollen und Entstehung eines automatischen Zwangs zum Unrechten
  • Aufmerksamkeit auf die Möglichkeit des einzelnen in das eigene Schicksal einzugreifen und Selbstbeteiligung an dem gesellschaftlichen und politischen Geschehen


Literaturliste

1. Adamszyk, Rosemarie: Die realitätsbezogene Konstruktion des Entwicklungsromans bei Gottfried Keller,1998
2. Abe,Yoshio: Gottfried Kellers "Romeo und Julia auf dem Dorfe", 1989
3. Hein, EdgarGottfried Keller: Romeo und Julia auf dem Dorfe, 1987
4. Poppe, Reiner: Gottfried Keller, Romeo und Julia auf dem Dorfe, 1982
5. Ecker, Egon: Erläuterungen zu Gottfried Keller: Romeo und Julia auf dem Dorfe, 1991




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